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  Tips für die Eltern 2
 
 



Lieber Papi,

es freut mich, dass Dein gebrochener Fuß gut verheilt ist. Ich merke, dass Du schon wieder

ganz der "Alte" bist, so wie Du Dich beim Training engagierst. Es hat mir wirklich leid

getan, dass Du Dich beim vorletzten Heimspiel so aufgeregt hast und deshalb so stark gegen

die Werbebande getreten hast, um dem Schiedsrichter Deine Meinung mitzuteilen, als

er mir eine gelbe Karte gegeben hat.

Aber Papi, warum musst du bei den Spielen auch immer so aufgeregt sein? Ich weiß, dass

Dich der Fußball jedes Jahr viel Zeit kostet, aber weißt Du was, ich habe schon in der letzten

Saison vergessen, Spaß am Fußball zu haben. Im November, als Du sauer auf unseren

Trainer warst, weil er mich nicht in jedem Spiel hat durchspielen lassen und Du Dich deshalb

auf dem Parkplatz mit ihm fast geprügelt hast, haben einige Spieler aufgehört mit mir

zu sprechen.

Dass du mich liebst und alles gut meinst, weiß ich auch. Es war aber schon sehr peinlich, als

Du Dich über die Werbebande gelehnt hast und mich vor der Mannschaft einen Verlierer

nanntest. Ein Spieler des Gegners hat damals zu mir gesagt, dass vielleicht Du spielen und

ich selbst auf der Tribüne zuschauen sollte. Nachher bei uns zu Hause habe ich aus Wut

nach unserer Katze getreten.

Oder dann das Spiel, wo Du mich während der ersten Halbzeit vom Platz geholt hast. Papi,

ich wollte wirklich nicht den Elfmeter verstolpern und hinfallen. Die anderen Spieler und der

Trainer haben es doch auch verstanden und es hat mir gut getan, als sie mir auf die Schulter

geklopft haben. Aber wenn ich auf dem Fußballplatz bin und Du mich anschreist, bekomme

ich immer Bauchweh, bin durcheinander und kann nicht mehr richtig denken. Alles

was ich dann will, ist weg!

Dass du viel Ahnung vom Fußball hast, weiß ich auch, denn Du hast ja in den 70er Jahren

die „Speldorfer Kloppers“ trainiert. Aber wenn Du mir was sagen willst, kannst Du dann

nicht warten bis wir zu Hause sind, um es mir dann in Ruhe bei einer Tasse Schokolade zu

erklären?

Mein Trainer hat gesagt, dass ich meine besten Spiele machte, als Du mit Deinem gebrochenen

Fuß im Krankenhaus gelegen hast. RICHTIG, ich freute mich auf diese Spiele, war

entspannt und ich habe nur den Klang der Rasseln unserer Mamis gehört.

Papi, ich weiß, Du willst, dass ich einmal Tore schieße wie Dein Idol Gerd Müller. Aber ich

fürchte, ich werde nicht so gut wie er. Ich will auch gar nicht wie jemand anderes sein, sondern

ich möchte nur ich selber sein. Ich weiß auch, dass Du, als Du in meinem Alter warst,

fünf Kilometer weit durch Schnee und Eis zur Schule laufen musstest, mit Löchern in den

Schuhen und mit gefrorenen Zehen gespielt hast, alte Kataloge als Schienbeinschoner benutzt

hast und so weiter und so weiter...

Du erwartest von mir, dass ich genauso tapfer bin wie Du, aber wenn ich Dich dann schreien

höre, habe ich das Gefühl, ich spiele nur für "Dich" und nicht für "meine Mannschaft". Ich

bekomme auch immer einen ganz steifen Hals, weil ich immer auf die Tribüne gucken muss,

um Deinen Zeichen und Signalen zu folgen.

Papi, ich weiß auch, dass Prämien sehr wichtig sind, aber hast Du was dagegen, wenn ich

nicht mehr die 5 € für jedes Tor bekomme? Denn ich würde lieber dem kleinen Paul helfen,

sein erstes Tor zu schießen.

Ich weiß, es ist sehr wichtig für Dich, dass nur die Besten spielen und wir alle unsere Spiele

gewinnen, aber der Trainer lässt uns alle spielen, damit wir Spielpraxis sammeln können

und er sagt, wir sollen nach einer Niederlage unsere Köpfe nicht hängen lassen. Er meint, es

ist okay, ein Spiel zu verlieren, wenn wir „unser Bestes“ gegeben haben und als Mannschaft

gespielt haben. Ich weiß, Du meinst, der Trainer sollte gefeuert werden, weil er uns wie

Kinder behandelt und trainiert, aber wir Spieler mögen ihn, weil er uns einen Klaps auf die

Schulter gibt, und uns sagt, dass wir aus unseren Fehlern lernen.

Ich weiß nicht ob es stimmt, aber ein anderer Vater hat erzählt, der Trainer macht unser

Training auch nur ehrenamtlich.

Ich wünsche mir, dass Fußball nicht so wie eine Arbeit wird. Nachdem ich den ganzen Tag in

der Schule ruhig sitzen muss, möchte ich, dass Fußball mehr Spaß macht als Mathe oder

Deutsch, egal wie viele Millionen der David Beckham verdient hat, wie Du immer erzählst.

Ich kann mich aber auch noch genau an Deine letzten Worte nach dem Spiel gestern erinnern,

wie Du mich auf dem Weg nach Hause angebrüllt hast, weil ich "wie ein Kind" gespielt

habe.

Das stimmt, ich bin ein Kind!

Ich bin gerade erst 10 geworden...

Dein Sohn


 

Quelle Homepage Rot-Weiß Mülheim D-2

 
 
  Hand auf´s Herz:

Wie oft haben Sie Ihren Sohn/ Ihre Tochter schon zum Spiel begleitet? Wie oft haben Sie gesehen, mit welcher Begeisterung er/sie Fußball spielt, zu dribbeln versucht wie Klose, Gegenspieler kaltstellt wie Nowotny, kluge Pässe schlägt wie Rosicky oder Superparaden zeigt wie Olli Kahn? Haben Sie Ihren "Fußballstar" nach verschuldetem Elfmeter oder bitterer Niederlage schon mal getröstet, Tränen abgewischt, aufgemuntert und zu neuem Einsatz angespornt? Haben Sie sich vielleicht auch schon mal lautstark über das unfaire Spiel des Gegners und die Ungerechtigkeit des Schiedsrichters aufgeregt? Sollte der Trainer nicht endlich mal die Aufstellung ändern? Haben Sie all dies live erlebt - oder erfahren Sie davon nur aus Erzählungen - falls Ihr Kind überhaupt den Mund aufkriegt und Sie sich interessieren?

 

 

Hand auf´s Herz:

Kennen Sie eigentlich den Trainer Ihres Kindes? Wie viele Worte haben Sie schon mit ihm gewechselt? Kennen Sie die Sorgen und Nöte, die er hat, wenn er z.B. zu Auswärtsspielen fahren muss und nur mit seinem eigenen Auto dasteht? Wie enttäuscht er ist, wenn wieder mal die Informationen an die Eltern nicht gelesen wurden - vielleicht, weil sie gar nicht abgegeben wurden, aber auch nicht gefragt wurde? Wissen Sie, was das sonst noch für Menschen sind, die im Verein Verantwortung haben und Einfluss nehmen auf Ihr Kind, es in seiner Entwicklung begleiten und auch prägen? Kennen Sie die Mannschaftskameraden und -kameradinnen, die Freud´ und Leid´ mit Ihrem Nachwuchs teilen?

 

 

Hand auf´s Herz:

Kriegen Sie mit, wenn Ihr Liebling gar nicht zum Training erscheint, sich aber zu Hause verabschiedet hat mit Zielangabe Fußballplatz? Informieren Sie den Trainer, wenn das Training durch Krankheit oder ähnliches nicht besucht werden kann? Ahnen Sie, wie wichtig eine zuverlässige Trainingsbeteiligung ist für eine Mannschaft, die erfolgreich sein möchte, in der alle ihre Freude am Fußballspiel haben wollen? Oder glauben Sie, mit 5 oder 6 Spielern mache das Training mehr Spaß?

 

 

Hand auf´s Herz:

Haben Sie schon mal die Idee gehabt, dass der Trainer Ihre Hilfe gebrauchen könnte - oder meinen Sie, mit dem Mitgliedsbeitrag sei sein Einsatz - ca. 7 - 10 Wochenstunden stellt er zur Verfügung, ohne Telefonate, Jugendsitzungen, Turniere ... - so reichlich entlohnt, dass Mithilfe nicht notwendig ist? Schließlich ist das ja nicht Ihr Problem!?

 

 

Hand auf´s Herz:

Sind Ihnen Eltern-, Kennenlehrabende nicht sowieso verhasst und eigentlich überflüssig - schließlich ist Ihr Kind doch bestens aufgehoben, und es klappt doch weitgehend alles!?

 

Warum all diese Fragen? Vielleicht sollten wir voller Stolz sagen: Unsere Eltern haben so viel Vertrauen zum Verein und seinen Mitarbeitern, dass sie uns ihre Kinder blind geben und ganz sicher sind, dass für uns kein Problem zu groß ist!?
Ich glaube, damit hätten Sie sogar weitgehend recht - und trotzdem:

 

 

Ich finde es erschreckend,

dass immer mehr und immer jüngere Kinder bei uns ankommen, deren Eltern wir nicht kennen lernen - oder allenfalls bei der Anmeldung zu sehen kriegen!

 

 

Ich finde es erschreckend,

wie wenige Eltern sich anscheinend für den sportlichen Werdegang ihrer Kinder interessieren - sonst würden wir sie öfter am Platz sehen.

 

 

Ich finde es erschreckend,

dass viele gar nicht wissen wollen, wer mit ihren Kindern zu tun hat, welche Personen und Charaktere ihre Kinder beeinflussen und prägen.

 

 

Ich finde es erschreckend,

dass für so manchen der Sportverein eine gute Aufbewahrungsstätte ist, die das ja so selbständige Kind auch allein erreichen kann oder wo man es allenfalls mal eben absetzt und dann schnell verschwindet - man hat ja so wenig Zeit!!

 

 

Ich finde es erschreckend,

dass wir immer mehr Kindern hinterher telefonieren müssen, damit sie ihre Zusage einhalten und die Mannschaft nicht im Stich lassen, dass das Mitmachen immer unverbindlicher wird! Mannschaftssport lebt aber nun mal von der Zuverlässigkeit und Einsatzfreude seiner Teammitglieder!

 

 

Ich finde es erschreckend,

dass es für Eltern nicht mehr selbstverständlich ist, zu Auswärtsspielen mitzufahren - in Absprache und nicht alle jedes Wochenende -, sondern es dem Verein überlassen bleibt, seine Transportprobleme zu lösen!!

 

 

Ich finde es erschreckend,

wie viele Eltern die sportlichen Aktivitäten und Erlebnisse ihrer Kiddies nicht miterleben! Diese Eltern verpassen wesentliche Teile im Leben ihrer Kinder! Sie verspielen die Chance, am sportlichen Leben ihrer Kinder teilzuhaben, Freud und Leid mitzutragen, gemeinsam zu jubeln oder zu trauern. Sie verpassen die Möglichkeit, sie anzuspornen, ihre Einsatzfreude zu steigern, sie für ihre Leistung zu loben oder aufzumuntern, wenn es nicht läuft.

Das aber ist so wichtig - für Ihr Kind und für Sie!

 

"Kinder stark machen" - das geht nicht gegen oder ohne die Eltern, sondern nur mit ihnen!

Eine Jugendabteilung mag noch so gut sein - sie ist und bleibt auf die Mithilfe der Eltern angewiesen - egal wie alt die Kinder sind oder wie selbstständig! Und daran wollen wir auch gar nichts ändern, denn erst im engen Kontakt mit den Erziehungsberechtigten können auch die Vereinsmitarbeiter ihrer Aufgabe voll gerecht werden, können Eigenheiten der Kinder erfahren, Hintergründe berücksichtigen und gemeinsam mit den Eltern Kinder zu einem Leben anleiten, das sie so stark machen soll, dass sie aus eigener Kraft Nein sagen können zu Alkohol, Nikotin und Drogen!

Darum: Kommen Sie und machen Sie nach Ihren Möglichkeiten mit! Es gibt so viel zu tun - und wir könnten so viel noch besser machen!!!

 

 

Quelle: FSV Witten 07/32


 
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